Happy Birthday, Charlie Chaplin!

„Wir sollten am Glück des anderen teilhaben und nicht einander verabscheuen.“

Ich kenne nur wenige Filme von Charlie und Chaplin, doch wenn ich den Namen des herausragenden Künstlers höre, fällt mir – wie gewiss vielen anderen auch – sofort die ergreifende Schlussrede aus seinem Film „Der große Diktator“ ein. Auch das obige Zitat ist dieser Rede entnommen.

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Chaplins bekannte Schlussrede in „Der große Diktator“ ist so mitreißend, man kann sich als schreibender Mensch eigentlich nur wünschen, selbst einmal solche zu Herzen gehenden Worte aufs Papier oder in die Tasten zu bringen.

Und doch beschleicht mich jedes Mal, wenn ich die Rede höre, Unbehagen. Ein mit jedem Wort zunehmendes Unbehagen, weil die Worte, die Chaplin als großer Diktator spricht, nicht mit der Art übereinstimmen, wie er sie spricht: fanatisch. Im Grunde zeigt er in dieser Szene, dass selbst die besten Ideen und Absichten sich in ihr Gegenteil verkehren, wenn sie nicht in Menschlichkeit und Zuneigung geäußert werden. Wenn sie sich vom Hass nähren, und sei es auch der Hass auf das „Verkehrte“.

In meinem dystopischen Roman „Objektiv“ folge ich genau dieser These: Wir Menschen haben die Neigung, das Gute in ein Schlechtestes zu verkehren, weil wir das, was gut ist, immerzu zu einem Besseren und Besten vorantreiben wollen – gelenkt und geleitet nicht von Menschlichkeit und Zuneigung, sondern von Fanatismus, Profitgier, Streben nach Macht.

Und so ist es auch kein Zufall, dass mein Protagonist Alexander, der in der besten Absicht an einer Erfindung arbeitet, die die Menschheit von ihrer Verrohung und sozialen Kälte heilt, sich auf Chaplin bezieht und dessen Rede zitiert. So heißt es im Roman:

„Wir haben durch den jahrzehntelangen törichten Umgang mit audiovisuellen Technologien den Kontakt zwischen Sehen und Fühlen zerstört. Statt die Wirkungen dieser Medien zu kontrollieren, haben wir rein gewinnorientiert gearbeitet. Damit muss jetzt Schluss sein, wenn wir wirklich etwas für den Frieden und das Gemeinwohl tun wollen. Statt wie bisher Gaffer und empfindungslose Zuschauer zu produzieren, greifen wir jetzt aktiv in die Evolution des Sehens ein.

Wir von Neoworlds nehmen die Herausforderung dieses Jahrhunderts an. Wir setzen um, was schon der große Chaplin einst in seiner visionären Rede vorwegnahm. Wir werden weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen, wo immer wir können.

Den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen. Jeder Mensch sollte dem anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt. Wir sollten am Glück des anderen teilhaben und nicht einander verabscheuen. Hass und Verachtung bringen uns niemals näher‘“, zitierte er sodann Chaplins großartige Rede aus dem Gedächtnis.

„Die Neogaze Empathy wird dazu beitragen, dass wir Hass und Verachtung überwinden. Wir werden nicht allein in der Lage sein, Menschen neu sehen zu lernen. Wir werden auch in der Lage sein, Wahrnehmung und Fühlen so zu beeinflussen, dass jeder, der unsere Technologien nutzt, unfähig wird, zu hassen oder anderen Menschen etwas Böses anzutun.

Denn ‚zuerst kommt die Menschlichkeit und dann erst die Maschinen‘. Wir von Neoworlds haben das verstanden. Und wir garantieren:  Das Zeitalter des Wassermanns wird kommen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten, es zu verwirklichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Was Alexander da mit Leidenschaft vorträgt, ist das Ergebnis eines Fanatismus, der um jeden Preis heilen will, und das Gute in ein Gut, in eine Ware verwandelt. Doch wird es noch eine Weile dauern, bis auch mein Protagonist dies begreift und … Nein, mehr gespoilert wird nicht. 😉

Stattdessen bedanke ich mich beim Meister für die großartigen Gedanken und für die Zweifel und Ermutigung zur Selbstreflexion, die er uns mit dieser Szene geschenkt hat.

Charlie Chaplin wurde am 16.04.1889 in London geboren. Heute wäre also sein 136. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch einem großartigen Meister der Filmkunst und gewiss auch der Menschlichkeit, der 1977 nach einem erfüllten und inspirierenden Leben verstarb.

Leseempfehlung: Alltagsmenschen

Ein Roman von Carry Brachvogel

Ein Ehebruch im gutbürgerlichen Milieu Münchens gegen Ende des 19. Jahrhunderts; eine übersättigte Gesellschaft, die sich ihre eigenen Skandale schafft, um nicht an Langeweile zugrunde zu gehen: Der Stoff, den Carry Brachvogel in ihrem Debütroman „Alltagsmenschen“ verarbeitete, ist es gewiss nicht, der mich dazu bewegt, das Buch als Lektüre zu empfehlen.

Was also begeistert mich an einem Erstlingswerk, über das die Autorin selbst später sagte, dass es „Gott sei Dank verschollen“ sei? Davon erzähle ich in diesem Beitrag.

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Objektiv – oder wie gewaltbereit sind unsere Augen?

Kommt es mir nur so vor oder häufen sich tatsächlich die Fälle, in denen Jugendliche zu Gewalttätern werden – die ihre Taten häufig auch noch filmen? Wenn man sich einmal an einem Thema festgebissen hat, ist man nur noch bedingt tauglich, dessen Vorkommen und Bedeutung realistisch einzuschätzen.

In „Objektiv – Nutze die Zeit, bevor s i e dich benutzen“ geht mein Protagonist der Frage nach, wie weit das tägliche Starren auf Bildschirme und durch Objektive oder Smartphonelinse unsere Sinne bereits manipuliert und unsere Wahrnehmung vom inneren Empfinden getrennt hat. Der folgende Auszug stammt aus dem Roman; ein Klick auf die Grafik führt euch zur Inhaltsbeschreibung.

Buchempfehlung: Spätsommergewitter von Heike Müller

„Eine Liebesgeschichte aus Milch und Tönen“

Liebesgeschichten, die ausdrücklich als solche beworben werden, gehören eigentlich nicht zu meiner bevorzugten Lektüre. Insbesondere nicht, wenn das Cover in pastellfarbenen Tönen gehalten ist und der Klappentext mir bereits das Stöhnen und Seufzen der Protagonisten schildert, weil es sich um ein Genre handelt, das man heute „Frauenliteratur“ nennt.

Aber zum Glück ist bei diesem Buch alles anders, nicht nur die Umschlaggestaltung. Und zum Glück habe ich es gelesen, obwohl es als Liebesgeschichte beworben wird. Denn am Ende kam ich nicht umhin zu bemerken, dass dieses Buch so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was man als Städterin so über das bäuerliche Leben und Denken zu wissen glaubt.

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