Buchempfehlung: Spätsommergewitter von Heike Müller

„Eine Liebesgeschichte aus Milch und Tönen“

Liebesgeschichten, die ausdrücklich als solche beworben werden, gehören eigentlich nicht zu meiner bevorzugten Lektüre. Insbesondere nicht, wenn das Cover in pastellfarbenen Tönen gehalten ist und der Klappentext mir bereits das Stöhnen und Seufzen der Protagonisten schildert, weil es sich um ein Genre handelt, das man heute „Frauenliteratur“ nennt.

Aber zum Glück ist bei diesem Buch alles anders, nicht nur die Umschlaggestaltung. Und zum Glück habe ich es gelesen, obwohl es als Liebesgeschichte beworben wird. Denn am Ende kam ich nicht umhin zu bemerken, dass dieses Buch so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was man als Städterin so über das bäuerliche Leben und Denken zu wissen glaubt.

Karen und Piet, die Protagonisten in Heike Müllers Roman „Spätsommergewitter“, könnten (auf den ersten Blick) unterschiedlicher nicht sein: Er wird als hochmütiger Wessi eingeführt, als Musiker, der sich um seinen Lebensunterhalt anscheinend keine Sorgen machen muss. Sie ist eine verwitwete Bäuerin aus Mecklenburg, die jeden Tag um den Erhalt ihres Hofes kämpfen muss.

Doch mit dem Hagelschlag, der die beiden zusammenführt, weichen auch die Klischeevorstellungen, die sie voneinander und wir als Leser von ihnen haben. Denn es gelingt Heike Müller meisterhaft, hinter all den vermeintlichen Kontrasten, die in die Geschichte verwoben sind, die wirklichen Menschen in ihrer Einzigartigkeit differenziert zu schildern. Eine Einzigartigkeit, die sich nicht im Spleen oder im Wunsch, sich von anderen abzugrenzen zeigt, sondern in der Verwurzelung, in der eigenen Biografie, im eigenen Temperament und in ihrer Prägung durch eine Gemeinschaft, die akzeptiert, was und wen sie doch nicht ändern kann, und nach besten Kräften hilft, wo sie etwas bewirken kann.

Und so findet der von Depressionen gebeutelte Piet bei seiner Karen ein neues Zuhause, findet diese selbstlose Unterstützung, die ihm sichere Wege aufzeigt, ohne ihn einzusperren. Und Karen findet in Piet einen Liebhaber und Gefährten, um den es sich zu kämpfen lohnt – auch wenn sie dieser Kampf zeitweise an den Rand ihrer Kräfte bringt.

War ich anfangs noch skeptisch, weil mir der E-Mail-Dialog zwischen Karen und Piet zu lang, zu tastend und mit zu viel „verkopften“ Erklärungen durchsetzt schien, begeisterte mich das Buch mindestens von dem Moment an, in dem das Paar aus seinem nomadischen Liebesrausch wieder in die Gemeinschaft mit anderen zurückfindet. Und mit jedem Themenkreis, der hinzutrat, mit jeder Figur, die unsentimental, aber eben deshalb so einfühlsam eingeführt wurde, wuchs diese eigenartige Vertrautheit mit Menschen, von denen ich mir nicht mehr vorstellen konnte, dass sie rein fiktive Gestalten wären.

Wie die Geschichte zwischen dem friesischen „Schimmelreiter“ Piet und der „Atheistin“ Karen sich entwickelt, welche Höhen und Tiefen die beiden durchleiden – davon will ich nicht allzu viel verraten. Nur so viel sei gesagt: Selten habe ich in den vergangenen Jahren so sehr mitgefiebert, dass alles ein gutes Ende nehmen würde. Ob meine stummen Gebete erhört wurden, müsst ihr allerdings selbst herausfinden.

Von mir gibt es dafür eine klare Empfehlung.

Die Autorin

Heike Müller wurde 1965 geboren und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann einen Milchvieh- und Ackerbaubetrieb in der Mecklenburgischen Schweiz. Soweit ich es überblicke, ist dies ihre erste und bisher einzige literarische Veröffentlichung.

Das Buch

Spätsommergewitter. Eine Liebesgeschichte aus Musik und Tönen von Heike Müller erschien erstmals 2018 als Taschenbuch im mecklenburgischen Spica-Verlag.

ISBN: 978-3-946732-32-7

Verkaufspreis in Deutschland: € 12,80