Wird meine Mudda Chef?

„Meine Mudda wird Chef“, leuchtet es mir heute (08/2013) in weißen Lettern von einem Plakat entgegen. Ich bleibe einen Moment stehen, um es genauer zu betrachten.

Ich gebe zu, das Wahlplakat der Grünen bringt mich im ersten Moment zum Lachen. Ein fröhlicher Dreikäsehoch freut sich über die Zukunftschancen seiner Mutter und damit über seine eigenen. Die Botschaft ist klar, es sollen auch die sozial schlechter Gestellten in diesem Land eine Chance haben.

Das Bild ist emotionalisierend, die Verbindung zu den bekannten Deine-Mudda-Witzen verkehrt deren Pointe ins Gegenteil. Die Mutter ist nicht die verachtenswerte Asoziale, über die man herrlich battlen kann, sondern eine gut gebildete, sauber gekleidete, vermutlich wunderbar duftende junge Frau, die Familie und Beruf meisterhaft unter einen Hut bekommt. So die Vision.

Das merkt man auch ihrem Kind an. Fröhlich, frech, gut gekleidet, gut genährt, ohne all diese Anzeichen, die man Kindern sonst ansieht, die sich in Gegenden bewegen, in denen statt der Chefin die vermeintlichen Vorbilder für Mudda-Witze wohnen, wie sie uns gewisse Fernsehformate („Formate“? naja) so gern vor Augen führen.

Und schon habe ich andere Bilder im Kopf. Bilder von Kindern, mit fahler Haut, dunklen Ringen unter den Augen und glanzlosen Augen. Bilder von Kindern, die ohne Frühstück in die Schule gehen oder es sich selbst zubereiten müssen, auch wenn Mutti und/oder Vati zu Hause sind. Verlassene Kinder, kleine tapfere Kämpfer, die von niemandem wärmende Unterstützung bekommen. Die von anderen Mitschülern als „Kik-Schlampen“ bezeichnet werden. Die niemand zum Kindergeburtstag einlädt.

Ganz sicher keine Bilder von wohlbehüteten Kindern – gleich ob aus armen oder reichen Familien – die sich schon auf ihren zukünftigen Chefsessel freuen.*

Mit gemischten Gefühlen gehe ich weiter. Habe ich eine wunderbare Zukunftsvision gesehen oder ist diese Darstellung purer Hohn? Ich weiß es nicht. Ich hoffe wie immer das Beste.

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Ich möchte hier nicht an einem Klischee mitbasteln, wonach arme Kinder vernachlässigt und reiche Kinder sorglos und behütet sind. Aber das ist ein anderes Thema.

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