Ungehaltene Rede zur pandemischen Heuchelei der Nation

Manchmal schaue ich als “Ungeimpfte” mit ein wenig Wehmut nach Italien.  Ausgerechnet Italien, wo Zigtausende ihre Jobs verlieren, weil sie sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen? Ja, ausgerechnet. Weil die Menschen dort in Massen zusammenkommen, singen, picknicken, sich den Lebensmut nicht nehmen lassen. Denn die Menschen dort kämpfen gegen etwas, was mir bisher vorenthalten wird: einen offen eingestandenen Impfzwang, der nicht der Gesundheit, sondern der Gewöhnung dient. Der Gewöhnung daran, immer und jederzeit kontrolliert werden zu dürfen und keinen Zutritt zu erhalten, wenn man die Bedingungen nicht erfüllt. Der Gewöhnung, digital erfasst und verwaltet und wie ein Verbrecher ausgeschlossen zu werden, wenn man sich dem entzieht. Der Gewöhnung an einen neuen Zynismus, der in der beleidigten Feststellung besteht, man müsse sich ja nicht impfen lassen, dann aber eben mit den Konsequenzen leben.

Konsequenzen, die so irrational sind, wie der gesamte Umgang mit der Corona-Seuche.

Hat beispielsweise ein Mensch, der nicht gegen Corona geimpft ist, Kontakt mit einem infizierten Geimpften, muss Ersterer in Quarantäne und bekommt keine Lohnfortzahlung. Sein Verbrechen bestand darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Der Geimpfte dagegen, der schlimmstenfalls trotz Krankheitssymptomen im Altersheim aufläuft und dort noch ein paar Leute ansteckt, muss keine finanziellen Einbußen hinnehmen.

Aber im besten Deutschland aller Zeiten schert man sich eh schon lange nicht mehr um rationale rechtsstaatliche Begründungen, sondern versucht, das Virus durch bürokratische Bestimmungen und orakelte Zahlenkolonnen in die Knie zu zwingen. Aus dem Büro lässt es sich doch viel besser verstehen, was draußen vorgeht, als wenn man sich unters Volk mischt.

Gut, ganz so ordentlich funktionierte noch nicht einmal das Erfassen der statistisch relevanten Zahlen. Doch wen interessiert schon, wie viele wirklich geimpft oder genesen sind? Wer kennt wirklich die Zahl der „Impfversager“, die in Intensivbetten landen, wenn doch bis vor kurzem noch im Falle von Hospitalisierungen ein unbekannter Impfstatus als „ungeimpft“ erfasst wurde? Hat man je gezählt, wie viele Menschen an der Beatmung und nicht an der Infektion starben? Hat man weiter verfolgt, wann das Virus tatsächlich zum ersten Mal ausgebrochen ist? Oder reichen eine Glaskugel und eine Aneinanderreihung von vermeintlichen Fakten, um die Abtrünnigen zu geißeln und die Geimpften gegen die Ungeimpften aufzubringen?

Und so bekämpfen sie sich im öffentlichen Diskurs brav weiter, die Rotbäckchenvertreter (alles, was du brauchst, ist ein gutes Immunsystem) und die Impf-Fetischisten (Impfdurchbrüche sind der Beweis: Impfen wirkt) und Plattformen wie Twitter verwandeln sich immer mehr in einen Umschlagplatz für Impf-Deals, auf dem hysterische Eltern von der Durchseuchung ihrer Kinder überzeugt sind und bundesweit nach Ärzten suchen, die auch ohne Empfehlung durch die Stiko Zweijährige impfen.

Und das, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass der Impfstoff zwar einen schweren Verlauf mildern kann – jedenfalls bei Menschen, die eh kaum betroffen sind, also gerade nicht bei den sogenannten vulnerablen Gruppen –, aber ebenso das Immunsystem schwächen und ihre Kinder anfälliger für andere Erkrankungen machen kann.

Es sind dies übrigens dieselben Eltern, die ihre Kinder auf Twitter als Selberbärlis und Purzelchen vorführen und sich öffentlich darüber freuen, wenn die Erzieherin ihnen beim Abholen erschöpft zu verstehen gibt, dass sie den ganzen Tag Mühe hatte, mit dem Kind zurecht zu kommen, weil es komplett unfähig ist, Gruppenregeln einzuhalten. Die anderen Egoismus vorwerfen, sich aber vordrängeln und beleidigt reagieren, wenn sie einmal nicht die Ersten sind oder gewisse Privilegien erhalten. Die fürchterlich empathisch mit all den Kindern fühlen, denen es weniger gut geht, weil sie Enge, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind, und die nicht bemerken, dass sie selbst ihre Kinder durch einen neurotischen Umgang mit der Gefahr ver- und zerstören.

Aber ach, der deutsche Michel war schon immer ein Heuchler vor Gottes Gnaden. Statt mit Logik werfen diese Leute mit Behauptungen um sich, die jeden Tag neu zurechtgezurrt werden. Zeigt sich beispielsweise, dass die Inzidenzen höher sind als im vergangenen Jahr im selben Zeitraum, liegt es natürlich an den Ungeimpften. Logisch, die gab es als eine gegen Regeln verstoßende Gruppe ja im vergangenen Jahr noch nicht. Kommt es massenhaft zu Impfdurchbrüchen, verwechselt man im Verweis darauf, dass dies statistisch gesehen zu erwarten war, mal eben schnell einen prozentualen Anstieg, der logisch wäre, mit einem Anstieg der absoluten Zahlen.

Alles andere würde nämlich ergeben, dass wir de facto alle gemeinsam ein Virus, von dem es ursprünglich hieß, dass es für vulnerable Gruppen gefährlich sei, darin unterstützt haben, zu mutieren, bevor die Jungen eine Grundimmunität erwerben konnten. Wir haben die Gesundheit von Kindern gefährdet, die jetzt vermehrt mit „normalen“ Infektionskrankheiten in Krankenhäuser eingewiesen werden. Wir haben ihnen verboten, zu singen, zu spielen, in die Kita oder Schule zu gehen, ihre Ausbildung anzufangen oder abzuschließen, zu studieren, andere junge Menschen zu treffen, ihren 18. Geburtstag zu feiern, ihr Abitur zu feiern, ihren Übergang ins Erwachsenenleben vorzubereiten.

Wir haben sie gebeten, die Alten und Schwachen zu schützen, und die meisten haben ohne großes Murren einfach mitgemacht. Viele, zu viele hatten und haben in der Folge mit depressiven Verstimmungen, mit Einsamkeit, mit Panikattacken und anderen Ängsten zu kämpfen. Und mussten sich von der Generation, die sie schützen sollten, noch anhören, dass sie sich nicht so anstellen sollten, denn die Alten haben natürlich ALLE viel Schlimmeres erlebt.

Manche dieser jungen Menschen haben ihren Ausbildungsplatz verloren, andere dürfen auch heute nicht mehr in die Uni, weil sie nicht geimpft sind. Oder müssen sich wie ein junger Fußballspieler von autoritären Zwangscharakteren öffentlich durch die Manege treiben lassen, während ihr doppelt geimpfter und dennoch infizierter Trainer die beschauliche Ruhe der Quarantäne genießt, zu der er im Privatjet geflogen wurde.

Im Ergebnis sind weiterhin immer mehr Menschen erkrankt. Das Virus ist mehrfach mutiert, welchen Anteil das Impfen daran hat, ist unbekannt. Nach Aussage erfahrener Wissenschaftler, die Wissenschaft nicht als Aneinanderreihung von Zahlen und Fakten missverstehen, ist es nämlich denkbar dumm, in eine Pandemie hineinzuimpfen. Nichts anderes als dieses Wissen war es ja auch, was im Frühjahr 2021 zum Verhängen der „Notbremse“ führte.

Jede Elefantenherde weiß ihre Kranken, aber eben auch ihre Jungen zu schützen. Jede Gesellschaft braucht Menschen, die bereit sind, zu sterben, um Gefahren abzuwehren. Warum waren wir als Gesellschaft bereit, ausgerechnet die Jüngsten und die Schwächsten zu opfern?

Weil schon bald die Mär von einem sicheren Impfstoff verbreitet wurde, der eine Herdenimmunisierung bewirke. Heute sehen wir, dass dies eine Lüge war. Die Spritze wirkt gar nicht ewig, noch nicht mal ein halbes Jahr für die, die wirklich darauf angewiesen sind. Ein bisschen mehr Schutz haben wir nur für die erreicht, die ohnehin wenig zu verlieren hatten. Nicht für die Alten, die Kranken, die Schwachen, die Armen, die Jungen. Nur für die gut situierten Middleager, die mit dem E-Bike oder dem Mittelklassewagen zum Büro fahren, sofern sie sich nicht eh ins Homeoffice zurückgezogen haben.

Spricht man öffentlich an, dass es sich um Lug und Trug handelt, kommt natürlich sofort ein Simplicissimus ums Eck, der „aber das weiß man doch, dass Impfstoffe nicht zu 100 % schützen“ plärrt. Garantiert ist derselbe Naivling davon überzeugt, dass sich die Wissenschaft in ihrer höchsten Blüte befindet, wenn sie heute dies und morgen jenes behauptet. So wie das Heer an Gesundbetern, Glaskugelschauern und Wahrsagern, die heuer öffentlich verkünden, es müsse mehr Einschränkungen für Ungeimpfte geben, die ja per se Solidaritätsverweigerer sind.

Solidarität nämlich, so hat es uns die Pandemie gelehrt, ist, wenn die Hersteller von Impfstoffen es untersagen dürfen, überschüssige Vakzine an ärmere Länder zu spenden, sodass man stattdessen lieber die Hatz auf Ungeimpfte erhöht, um die Chose doch noch loszuwerden, bevor die bedingten Zulassungen auslaufen. Solidarität ist, wenn das Zeug auf Teufel komm raus verimpft werden muss und Würde ist, wenn es zur Belohnung fürs Stillhalten noch eine Bratwurst obendrauf gibt.

Ehrlich, ich habe das alles so satt. Diese ganze Irrationalität, diese mediale Verlogenheit, das Nebeneinanderstellen von Aussagen, zwischen denen es keinen kausalen Zusammenhang gibt, die Realitätsverweigerung, die Lügen beim Rückblick auf den Verlauf dieser Pandemieverwaltung, die damit begann, dass man die Parole ausgab, wer behaupte, dass es sich um ein gefährliches Virus handle, das bestimmte Maßnahmen erfordere, sei ein Verschwörungstheoretiker. In der man Menschen so lange davon abhielt, sich zu schützen, bis sich das Virus auch bei uns viral ausgebreitet hatte.

Und natürlich die Lüge, dass es möglich sei, in kürzester Zeit einen Impfstoff zu entwickeln, der zumindest für einen verlässlichen Zeitraum die Vulnerablen schützt. Die Lüge, dass Geimpfte keinen Test mehr benötigen, die dazu beiträgt, dass sich das Virus nun weiter unter Geimpften und von ihnen ausgehend auf Ungeimpfte übertragen kann. Die Frechheit, mit der behauptet wird, dass es aus Gründen der Steuergerechtigkeit nur fair sei, wenn Ungeimpfte für ihre Tests bezahlen müssen aus den Mündern von Menschen, die sich von den Profiten, die sie damit machen, ihre Villen finanzieren. Immer schön medial flankiert von einer gesellschaftlichen Gruppierung, die vermutlich bei jedem Pickel am Po sofort zum Arzt rennt, um sich haufenweise teure Medikamente und Therapien verschreiben zu lassen.  

Manchmal schaue ich wehmütig nach Italien, weil es dort möglich ist, gemeinsam und singend gegen eine Impfpflicht aufzustehen. Nicht nach Australien, wo derzeit schon Lager für Ungeimpfte gebaut werden, wo Menschen per öffentlicher Fahndung wie Verbrecher gesucht werden, wenn sie es wagen, die angeordnete Quarantäne zu verlassen. Nicht nach China, wo man gerade neue Helme testet, die die Temperatur von bis zu 100 Menschen anzeigen können. Nicht nach Brasilien, Indien oder Südafrika, wo doch so deutlich wird, dass das Virus vor allem dort besonders wütet, wo die Ärmsten zu Hause sind. Nicht in die umzäunten Wohlstandsgehege der Kapitalgeber und Kapitalgewinnler dieses Spektakels.

Manchmal träume ich aber auch, so wie vergangene Nacht. Ich saß in einer Runde, die mich an einen Elternabend erinnerte. Alle außer mir waren geimpft und das wurde auch öffentlich verkündet. Als ich mich über den Tisch beugte, um ein Dokument entgegenzunehmen, zuckte meine Sitznachbarin zusammen und zog sich ängstlich von mir zurück. Sie fürchtete, ich könnte sie infizieren, wenn ich ihr auch nur einen Moment zu nahe käme.

Kurz darauf öffnete sich die Tür und eine Frau trat ein, die ich sehr mochte und von der ich wusste, dass sie ebenfalls nicht gegen Covid geimpft war. Sie ging zunächst zu meiner Sitznachbarin, die sie herzlich umarmte. Ich musste innerlich lachen, sie wusste wohl nicht, in welche Gefahr sie sich aus ihrer Perspektive brachte. Dann kam die Frau zu mir und setzte sich neben mich. Ich spürte ihre Wärme, ihre Lebendigkeit, ihre Herzlichkeit. Und ich wusste: Es kommen wieder andere Tage. Tage, in denen jeder von uns weiß, auf wen er sich im Ernstfall verlassen kann und auf wen nicht. Dann schaue ich nicht mehr nach Italien. Dann werde ich mit denen, die aufrecht zu leben und zu sterben verstehen, unsere Vergänglichkeit feiern – mit Ungeimpften ebenso wie mit Geimpften.

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