Stell dir vor, es ist Krieg und du wirst aus deiner geschützten Umgebung vertrieben. Du findest dich in einem gesellschaftlichen Wandel wieder, in dem nichts mehr ist, was es gestern noch schien. Neue Zünfte und Stände bilden sich heraus, neue Formen der Kommunikation erfassen Sprache, Ökonomie, Wissenserwerb und Wissensvermittlung ebenso wie deine Selbstwahrnehmung und deine persönlichen Beziehungen.
Stell dir vor, dir wird buchstäblich vorgeschrieben, wie du zu sprechen hast, und der Wandel wie der Krieg nutzt vor allem Betrügern und Halsabschneidern, reichen Faulenzern, machtgeilen Aufsteigern, halbgebildeten Kanzleischreibern und Emporkömmlingen, die die Welt neu unter sich aufteilen. Die die Künste verwenden wie Kanonen.
Und dann stell dir vor, das Buch, in dem all dies beschrieben wird, ist gar kein aktueller Roman, sondern stammt aus dem 17. Jahrhundert.
Dreimal habe ich das Buch vor lauter Verzweiflung an die Wand gepfeffert, dann habe ich mich durchgekämpft und unendlich viel gewonnen. (Und eine Magisterarbeit darüber geschrieben, die jetzt wieder erhältlich ist.). Wer das Heute verstehen will, dem lege ich dieses Buch ans Herz (und anschließend oder begleitend natürlich meine Interpretation).
H .J. Chr. von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus. Meine Ausgabe stammt aus dem Insel-Verlag, erste Auflage, 1983.
Bildquelle: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen – 15. März 2008 (Hochladedatum) durch Abrev