Die taz veröffentlicht eine Karikatur, die Volker Wissing in die Nähe von Goebbels rückt, der Tagesspiegel unterstellt Dieter Nuhrs Komik eine Eichmannsche Banalität, eine deutsche Universitätsprofessorin möchte das fossile Kapital ausrotten und eine Soziologin wünscht sich als Gastautorin der ZEIT einen totalen und vernichtenden Sieg für die Ukraine.
[Update: Die taz hat sich mittlerweile dafür entschuldigt.]
Alle befinden sich gegen alle im Widerstand oder im Krieg und ungefähr sechs Millionen Mal wurde bereits jemand von rechts, links, oben, unten oder aus der Mitte als Nazi tituliert, weil er es wagte, irgendeiner Meinung zu sein, von der sich ein anderer in Geiselhaft genommen fühlt. Doch während die einen bestialisch ermordet wurden und werden, sitzen die vermeintlichen Widerständler sicher in ihren Redaktionen oder vor der heimischen Tastatur.
Jedes Mal, wenn ich etwas derartiges lese, kommt mir diese eine Szene aus der Dokumentation über Auschwitz in den Kopf, die ich als Kind sah. Ich beschreibe sie nicht, weil ich oft denke, dass es für den Holocaust eine Art Bilderverbot geben sollte. Aber ich widme allen, die mit ihren sich selbst beweihräuchernden Nazi-Vergleichen dazu beitragen, dass er weiter bagatellisiert wird, die folgende Kürzestgeschichte. Und füge gern hinzu: Die Protagonistin Aphrodite von Stolzenfels könnte auch Bernd vom Hünengrab heißen, der davon träumt, ein neudeutsches Reich zu errichten.
Ein Feuer, das nichts erhellt
Vom tiefen Feuer des Widerstandes entfacht, im festen Glauben, dies sei der Moment, in dem sie mit jeglicher Deutschtümelei, mit der Wurstbrotmentalität einer auf dem rechten Auge blinden Gesellschaft und einer sich zusammenrottenden Meute aufräumen konnte, haute Aphrodite von Stolzenfels in die Tasten, entwarf flammende Reden gegen das Wiedererstarken dessen, was doch für immer verbannt sein sollte.
Tränen der Rührung purzelten zu Boden, als sie ergriffen von ihrer zutiefst antifaschistischen Haltung die soeben geschriebenen Zeilen überflog, bis ein lautes Türenschlagen sie erschreckte. Kam man schon, sie zu holen? Schwadronierten bereits Fackelzüge vor ihrem Haus? War der Tag der Machtübernahme erneut gekommen?
Aber nein, lediglich der Nachbar hatte seinen SUV mal wieder in ihrer Einfahrt geparkt. Enttäuscht und gelangweilt griff sie zu dem Schüsselchen mit Karamellbonbons, um kauend zu konstatieren, dass sich nichts, aber auch gar nichts durch ihre flammende Rede verändern würde.
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Mit den Augen der Dunkelheit blickte Schmuel Rosenherz ins Antlitz seiner Vorfahren, von denen keiner die Deportation und das unendliche Grauen überlebt hatte. Keine beflissentlich wiederholte Glückskeksmoral und kein im Armsessel zurückgelehntes Fraternisieren brachten sie zurück.
Umso mehr musste es ihn empören, dass all diese Sonntagsredner es sich anmaßten, ihr Schicksal auch nur zu erwähnen und einen dieser aufgeregten Vergleiche zu ihrem lächerlich ereignislosen Heute zu ziehen, um sich fern jeglicher Gefahr von einer Schuld reinzuwaschen, die niemals, niemals, enden konnte, weil sich in ihr das im Pathos ersoffene Belanglose mit dem ungeheuerlich Monströsen verbündet hatte.
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Die Geschichte stammt aus: Kurzgeschossen. Große Themen der Weltliteratur in kleinen Geschichten und Versen auf den Punkt gerafft.