Leseempfehlungen und Hintergrundmaterial zu meinem Roman: Objektiv – nutze die Zeit, bevor s i e dich benutzen

In meinem Roman „Objektiv – Nutze die Zeit, bevor sie dich benutzen“ versucht der Protagonist, Alexander Weinberg, eine sogenannte Empathie-Brille zu entwickeln. Mithilfe dieser Brille sollen Gaffer und Gewalttäter therapiert werden, sodass sie Empathie mit ihren Opfern empfinden.

Als ich den Roman zu schreiben begann, war ich noch davon überzeugt, dass ich mir all das nur ausgedacht hatte. Wie groß war daher mein Erstaunen, als ich während der Recherchen entdecken musste, dass all das, was ich mir zusammenfantasierte, tatsächlich bereits stattfand. Dies gilt nicht allein für den Traum, eine Empathie-Brille schaffen zu können. Es gilt auch für die weitergehenden Versuche, Menschen mithilfe von VR und AR in Form von Kontaktlinsen, Brain-Computer-Schnittstellen oder über Proteine zu manipulieren. Die folgende Leseliste gibt einen kleinen Einblick in die Schriften und Medien, die ich vorbereitend durchforstete.

Tatsächlich geht das Szenario, das ich in meinem Roman entwerfe, noch weit über das derzeit Realisierbare hinaus. Nicht aber über die Träume all jener, die daran arbeiten, dieses Szenario umzusetzen – mit welchen noblen Absichten auch immer. Und die schrecklichen Ereignisse im ersten Quartal 2023 deuten darauf hin, dass sich die Situation – befeuert vielleicht auch durch die Isolation vieler Jugendlicher während der Pandemie und den vermehrten Zugriff auf visuelle Medien – verschärft.

Die Liste ließe sich daher endlos verlängern – bietet aber schon einen guten Einstieg in die verschiedenen Teilaspekte. Vielleicht habt ihr aber auch noch einen interessanten Artikel oder ein Video entdeckt, der/das sie sinnvoll ergänzen könnte? Dann verlinkt dies gern in der Kommentarspalte! (Wird vor Veröffentlichung manuell geprüft.)

Die Übersicht ist leider noch sehr chaotisch – ich bitte dies zu entschuldigen. Sobald ich mehr Zeit habe, werde ich alles ein wenig ordnen.

Gewalt und neue Technologien

Gewalt unter Jugendlichen ist nun wirklich nichts Neues, aber ein modernes Phänomen ist das sogenannte „Happy Slapping“. „Beim ‚Happy Slapping‘ wird eine Person meist von mehreren jugendlichen Tätern angegriffen, geschlagen und gedemütigt. Das geschieht oft einzig […] aus dem Grund, die Tat mit dem Handy zu filmen.“

Auch Cyber-Mobbing ist für die meisten jungen Menschen eine grässliche Realität geworden. Die GEW Berlin hat eine Studie zum Thema Cyber-Mobbing unter Jugendlichen veröffentlicht, die erschreckende Zahlen offenbart.

Nicht alle sind Opfer, viele werden auch zu Tätern. In Hamburg beispielsweise vergewaltigten Jugendliche ein betrunkenes Mädchen, filmten ihre Tat und warfen die junge Frau dann mitten im Winter halbnackt auf die Straße. Im Strafverfahren vor dem Hamburger Landgericht urteilte der Richter: Sie wurde von ihren Peinigern nicht wie ein Mensch behandelt, sondern „zu einem Objekt herabgewürdigt“.

Über Prügelvideos berichtete auch der Tagesspiegel

und auch im Netz werdet ihr fündig, wenn ihr euch das wirklich antun wollt.

Jugendliche prügeln auf 14-Jährige ein und stellen Video ins Netz:

Ein etwas hilfloser Erklärungsversuch über Gaffer und ihr Verhalten bei einem Suizidversuch findet sich in diesem Interview von Eva Gemmer.

Hunderte gafften auch, als ein Baby starb und die Mutter sagt später: „Ich kriege diese Leute nicht mehr aus dem Kopf”. Ein Artikel von Dominik Stawski, erstmals veröffentlicht auf Stern.de am 4. November 2018, versucht, ihr eine Stimme zu verleihen.

VR und die Entwicklung einer „Empathie-Brille“

Um VR als Empathie-Maschine geht es auf der ARD-Themenseite zu Virtual Reality

Über die Idee, per VR Räume zu schaffen, in denen Menschen einander „begegnen“ schrieb Matthias Bastian den Artikel „Warum Virtual Reality und die VR-Brille nicht asozial sind.“ Mixed.de 01.11.2016.

Videos, die erklären, worum es bei der Entwicklung einer Empathie-Brille geht, findet ihr ebenfalls im Netz

zum Beispiel: Experiencing Racism in VR | Courtney D. Cogburn, PhD | TEDxRVA

Oder: The Empathy Machine (Jason Silva)

Und falls ihr wie ich auch gern mal weiter zurückgeht, wie solche Ideen entstanden sind, ist vielleicht dieser Artikel interessant, geschrieben über die Idee, ein elektrisches Auge zu schaffen, das „eine Hilfskraft des Menschen für den Frieden“ ist, denn es wird „die Soldaten begleiten und im gewöhnlichen Leben die Verbindung unter allen Gliedern der menschlichen Gesellschaft erleichtern“: Kloss, Albert: Das elektrische Auge. In: Von der Electricität zur Elektrizität. Ein Streifzug durch die Geschichte der Elektrotechnik, Elektroenergetik und Elektronik. Basel 1987, S. 243-256.

Eine literarische Vorlage findet sich in E.T.A. Hoffmanns Erzählung “Der Sandmann“.

Hintergründe zu Technologien und Forschungen

Falls ihr euch dafür interessiert, warum meine Protagonisten bestimmte Experimente durchführen und wie weit die Technik im wirklichen Leben bereits fortgeschritten ist, findet ihr in den folgenden Texten Hilfreiches und Wissenswertes:

Über die Wechselstrom-Therapie bei Grünem Star berichtet ein Beitrag von Dr. Andrea Bannert.

Über die Technik Digital Light Processing, eine „Projektionstechnik, bei der Bilder erzeugt werden, indem ein digitales Bild auf einen Lichtstrahl aufmoduliert wird“ siehe den gleichnamigen Wikipedia-Artikel.

Beim Search-coll-System wird eine Kontaktlinse mit einer Spule aus Draht auf das Auge gesetzt, die Augenbewegungen erzeugen dann induzierte Spannung. Kramme HG., Medizintechnik, Verfahren, Systeme, Informationstechnik. 2007

Zur Eye-Mind-Hypothese, der Analyse von Blickbewegungen und den Bewertung emotionaler Bilder sowie weiteren spannenden Studien der Universität Heidelberg, findet ihr hier Informatives: Prof. Dr. Joachim Funke: Wenn Blicke sprechen. 2006.

Charles Russ’ Ausführungen und sein Versuchsaufbau zum menschlichen Sehen, das in der Lage ist, eine Bewegung zu steuern, findet ihr ebenfalls im Netz.

Wikipedia erklärt, was es mit dem Brain-Machine- oder Brain-Computer-Interface auf sich hat.

Die in China hergestellte U-Drohne, die als „mindgesteuerte“ Drohne beworben wird, kann man ebenfalls im Netz bestaunen.

Augmented Reality ist laut Microsofts XR-Chef Alex Kipman bald auch ohne Brille oder mit Kontaktlinsen realisierbar. (Ich schwöre, ich wusste nicht, dass der Mann Alex heißt. 😀 )

VR-Linse oder gleich eine Schnittstelle zum Hirn – beides ist noch Zukunftsmusik, aber investiert und geforscht wird bereits reichlich.

Zum Beispiel daran, ob es möglich ist, digitale Informationen mithilfe von VR und einer Brain-Machine-Schnittstelle direkt ins Hirn zu senden.

Wie verändern Medien unsere Wahrnehmung?

Wie verändern Medien unsere Wahrnehmung? Damit befasste sich Wolf-Rüdiger Wagener 2017 in seinem Aufsatz: „Medien verändern unsere Wahrnehmung“ am Beispiel der Momentfotografie.

Der Klassiker ist hier natürlich: Benjamin, Walter [1974]: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eine Besprechung findet ihr hier im Blog.

Mark Changizi: Die Revolution des Sehens. Neue Einblicke in die Superkräfte unserer Augen (2012, engl. The Vision Revolution. How the latest research overturns everything we thought we knew about human vision) 2010. Eine Besprechung des Buches findet ihr hier im Blog.

Mit der Frage, was visuelle Kompetenz ist, befasst sich Hans-Dieter Huber: „Kein Bild, kein Ton? Wir kommen schon.” Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter. In: Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.) Was ist Bildkompetenz? Studien zur Bildwissenschaft  (2003). 

Eine fantastische Fundgrube zur Geschichte des Sehens hat Klaus Wolscher auf seiner Website zusammengetragen.

In seiner Geschichte des Sehens und der Bildkultur schreibt Wolschner u.a. über das Missverständnis, dass das Auge wie eine Kamera funktioniere und die irrige Annahme, dass irgendwo in unserem Hirn Bilder existierten, die wir zuvor gesehen haben.

Tatsächlich gilt: „Weder auf der Netzhaut noch im Gehirn gibt es Bilder, auch keine symbolischen Repräsentationen, sondern nur kurzzeitig gebildete und sich sofort wieder auflösende komplexe Aktivierungen im Netzwerk der Synapsen. Das Gedächtnis gleicht die einkommenden Seh-Eindrücke ab mit den Mustern früherer Sinneseindrücke und ihren Interpretationen. Jedes Kind muss das begreifende ‚Sehen‘ erst lernen, d.h. ein Bild-Gedächtnis anlegen, für das Erwachsene das sprachlich codieren, was vor Augen steht.“

Heinz Buddemeier: Das Foto. Geschichte und Theorie der Fotografie als Grundlage eines neuen Urteils. Rowohlt 1987.

Hier geht es zu einem niederländischen Restaurant, in dem nostalgische 3D-Dinner angeboten werden.

Wie verändert der massive Umgang mit digitalen Medien unser Hirn und unsere Fähigkeit, Mimik und Gestik unseres Gegenübers zu verstehen? Der SWR hatte hierzu eine interessante Sendung im Programm, die aber leider nicht mehr abrufbar ist.

Hirnforscher warnen, dass Hirnregionen, die Mimik und Gestik entschlüsseln, verkümmern, und zwar insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche zu viel Zeit im Chat verbringen. Ursprünglich unter diesem Link zu finden.

Fixierendes Sehen, Augenfixation, „bei der das ‚Anstarren‘ eines Objekts die Augenmuskeln ermüdet und die Neigung, in Trance zu gehen, verstärkt“, ist eine von mehreren Methoden in der Hypnose und führt zu Veränderungen in Bewusstsein und Wahrnehmung.

Den Zusammenhang zwischen Bewegung und Sehen und den Versuch des Gehirns, Veränderungen in der Verschiebung des Gesichtsfeldes auszugleichen, schreibt Ulrich Pontes im Artikel „Wie die Welt in den Kopf kommt“.

Selbstversuche wurden natürlich auch schon übernommen, ich fand diesen hier zwar wenig überzeugend, aber immerhin endete er mit dem Ergebnis: Nature is wonderful: 1 Woche in der virtuellen Welt

Über wichtige Unterschiede in der Wahrnehmung/Bildentstehung von Auge und Kamera: Karl-Heinz Braun und Konstanze Wetzel: Sozialreportage. Einführung in eine Handlungs- und Forschungsmethode der Sozialen Arbeit. Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S.78f.

Hier geht es zu einem Artikel über die Frage, warum VR uns überfordert.

Zur Geschichte und Theorie des Sehens



Sehen ist ein Prozess, bei dem bestimmte Bereiche im Gehirn aktiviert werden müssen. Unsere Sinne sind an der Wahrnehmung ebenso beteiligt wie unsere Vorstellung, denn wir sehen nicht nur mit den Augen, wir wissen, dass und was wir sehen. Dazu:

Wolf Singer: Vom Gehirn zum Bewusstsein. In: Der Beobachter im Gehirn (2002).   

Frank Gonzalez-Crussi: Verbotene Blicke, schamloses Sehen. Das Auge und die Welt
Aus dem Amerikanischen von Peter von Düffel. Berlin University Press, 2007.

Technologische Optimierung von Menschen

In „Biohacking: Forschen in der Garage“ berichtet Inka Reichert über die Bio-Hacking-Szene und ihren Traum, „Biomasse“ technologisch zu verändern.

Zur Steuerung von Maschinen mittels Gedankenübertragung und zur Übertragung von Gedanken via Internet siehe den Wikipedia-Artikel.

Über die Entwicklung „gefühlssensitiver Technik“ schrieb Ulrich Schnabel den Artikel „Die Vermessung der Gefühle“ in „Die Zeit“ (online) vom 13. Oktober 2016.

Wer mehr erfahren möchte, gibt einfach mal das Stichwort „Transhumanismus“ in die Suchmaschine seines Vertrauens ein.

Sonstiges

Manipulierte Porno-Videos: Menschen müssen aufhören, ihren Augen zu trauen. Artikel von Bernd Graff in der Süddeutschen über die Software „Fakeapp“, die es ermöglich, Gesichter täuschend echt in Filme hineinzuretuschieren. Süddeutsche online vom 12. Februar 2018

Arte Themenseite über den „Homo Digitalis“ und Sex mit Robotern.

Charlie Chaplins Rede in „Der große Diktator“.

Finden wir etwas „süß“, weil es uns an den Geschmack von Zucker und Honig empfindet? Oder haben wir die Empfindung der „Süße“ vom Geistigen auf etwas Materielles übertragen? Ein spannendes Gedankenexperiment, belegt an der Literatur des frühen Mittelalters findet sich in den Schriften Friedrich Ohlys: „Geistige Süße bei Otfried“, in: ders., Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977.

Bilder des lettischen Künstlers Jānis Ferdinands Tīdemanis findet ihr auf dieser Seite. Angabe zur Biografie finden sich in der französischen und der lettischen Wikipedia.

Zum geplanten Social Scoring in China findet ihr erste Informationen ebenfalls in der Wikipedia. In einem Blogbeitrag habe ich zudem bereits über die allzu wohlwollende Vorstellung dieses Systems in Bremen berichtet.

Auch in meinen Beiträgen zum Thema “Verschriftlichung der Welt“, die als Analogie zur Digitalisierung dienen, finden sich Hinweise, dass bereits der Prozess der Transformation von der mündlichen zur schriftgebundenen Gesellschaft mit der Dominanz des Sehens gegenüber dem Hören verbunden war.

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