Abbas Khider: Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch.

Kurzvorstellung und Leseerfahrung

Zwar bin ich mal wieder spät dran, denn das satirische „Deutschlehrbuch“ des deutsch-irakischen Schriftstellers Abbas Khider erschien bereits 2019. Doch habe ich mich auch 2023 noch sehr auf die Lektüre dieses Buches gefreut, ja, ich war nach all den Ankündigungen, die ich dazu gelesen hatte, sogar ein wenig aufgeregt, als ich es endlich in der Hand hielt. Doch um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Freude hat nicht lange angehalten. Und vielleicht ist das Buch gerade deshalb empfehlenswert.

Von einem, der auszog, die deutsche Sprache zu reformieren

„Deutsch für alle“ von Abbas Khider ist ein „endgültiges Lehrbuch“ der deutschen Sprache, in dem der Autor mit den vielen Schwierigkeiten zu Gericht geht, die der Spracherwerb Zuwanderern bereitet. Ich kenne diese Schwierigkeiten sehr gut, denn ich habe selbst mehrere Jahre „Deutsch als Fremdsprache“ unterrichtet.

Das Buch ist auf 123 Seiten in neun Kapitel unterteilt. Jedes davon behandelt vordergründig ein Problem der deutschen Sprache, das sie aus Sicht der Lernenden so sperrig und unverständlich macht, darunter die Deklination nach Geschlecht und Kasus, die Verwendung der Präpositionen oder auch die Aussprache von Umlauten. Für jedes dieser Probleme benennt Khider einen „Lösungsvorschlag“, der das Deutsche so leicht erlernbar machen soll wie das Englische, beispielsweise indem statt verschiedener Artikel nur noch die Einheitsform „de“ verwendet und auf alle Deklinationsformen verzichtet wird.

Doch stellen die Vorschläge, die der Autor macht, eben nur „vordergründig“ den Inhalt des Buches dar. Tatsächlich handelt es sich – wie Khider selbst es benennt – um „ernsthaften sprachwissenschaftlichen Schwachsinn“. Ein Schwachsinn, der sich in zahlreichen Episoden aus Khiders Leben in Deutschland und im Irak spiegelt, die in das Lehrbuch verwoben sind und als „Randbemerkungen“ zur Analogiebildung taugen.

Leseerfahrung: latente Gereiztheit, die sich letztlich nicht gegen den Autor richtet, sondern gegen das, was er beschreibt

Khiders „endgültiges Lehrbuch“ hat in mir anfänglich Kopfschütteln ausgelöst, mich dann in ein Wechselbad der Emotionen gestürzt. Gelacht habe ich nur selten, dann aber laut und herzlich. Teilweise war ich verärgert, zuweilen entsetzt, oft genervt und am Ende ratlos. Hatte ich meine Zeit mit einem Buch verschwendet, dessen Autor mich mit ein paar Regeln aus den Standardkursen zu „Deutsch als Fremdsprache“ bekannt machte, um daraus den Unsinn deutscher Sprache und Grammatik abzuleiten?

Ja und nein.

Abbas Khider schildert in seinem satirischen Lehrbuch letztlich, wie Sprache generell von vielen Menschen betrachtet wird: Als Aneinanderreihung von Buchstabenketten, die miteinander verklebt werden. Als kompliziertes Regelwerk, das irgendwie einfacher sein sollte. Ich kann mir jedoch kaum vorstellen, dass dies die Sichtweise eines Autors wiedergibt, der Philosophie und Literaturwissenschaft studiert hat und sich in einer Weise auszudrücken versteht, wie es den meisten Deutschen zeitlebens verwehrt bleiben wird.

Sein beeindruckendes Sprachvermögen hat Khider aber sicher nicht im Qualifizierungskurs an der Volkshochschule erworben; die Art der oberflächlichen Auseinandersetzung mit grammatischen Phänomenen wohl schon. Ebenso wie die Idee, dass es einfach sein müsste, eine neue Sprache zu lernen und dass diese in allen Teilen regulierbar und vermittelbar sein müsste. Immer, wenn er zu einem neuen Lösungsvorschlag ansetzt, ändert sich daher sein Stil, verfällt er in die absurde Sprache von Lehrwerken, die Lernende mit sinnlosen Beispielsätzen quälen, mit Aussagen, die einfach nur eine Vokabel oder eine grammatische Regel einführen sollen.

Khider imitiert diese Art der Sprachvermittlung in seinen Lösungsversuchen. Und er bringt sie mit dem in Verbindung, was er sonst noch in Deutschland gelernt hat: dass man das Fremde, Andere, Unverständliche aus der Sprache und aus dem Leben herausprügeln muss. Dass alles und alle gleich sein müssen, um sich in Paragrafen und Kategorien quetschen zu lassen. Endgültig!

Diese und weitere Gründe haben es mir schwergemacht, die Satire erheiternd zu finden. Darüber hinaus rufen viele Aussagen zur deutschen Sprache – die es als solche ja nur auf dem Papier und in Sprachkursen gibt – meinen Widerspruch hervor. Letztendlich ist mir zudem nicht klar, wo der Autor selbst die Dinge simplifiziert oder dies um der Satire willen tut. Und wo er einem Sprachverständnis von Lehrenden aufsitzt, die eine Sprache oder deren Literatur unterrichten, die sie selbst oft insgeheim verachten.

Während der Lektüre ertappte ich mich zudem immer wieder bei der Frage, ob und wie sehr sich eigentlich ein Land bzw. eine Sprache an jene anpassen muss, denen es schwerfällt, die geltenden Regeln zu erlernen. Ein schwieriges Terrain, auf dem es schnell morastig werden oder auf dem man in bildungsbürgerliche Überheblichkeit abrutschen kann. Aber gerade auch zu dieser Auseinandersetzung könnte das Buch beitragen, wenn man sie denn aufrichtig zu führen gewillt ist.

Bibliographische Angaben:

Khider, Abbas: Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch. btb Taschenbuchausgabe 2020.

ISBN 978-3-442-71961-7

Preis: € 8,-

2 Gedanken zu „Abbas Khider: Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch.

  • 8. März 2023 um 14:55 Uhr
    Permalink

    Schon die Besprechung des Buches hat mich ziemlich nachdenklich gemacht. Als Muttersprachlerin denke ich zwar nicht so oft über meinen Sprachgebrauch nach, erinnere mich aber, dass ich gerne an unserer Rechtschreibung gebastelt hätte, als meine Kinder damals schreiben lernten. Der Artikel hat bei mir zudem etliche Fragen aktiviert. Wie stark wirken sich Sprachbesonderheiten auf das Denken aus? Müssen wir die diversen Geschlechtsidentitäten wirklich über geänderte Sprachformen fest betonieren? Sind wir zu mehr internationalen Standards verpflichtet, um es Zuwanderern leichter zu machen? Müssen wir uns trennen von einer sprachlichen Vielfalt? Es stimmt ja, dass Deutsch als Fremdsprache komplizierter ist als z.B. Englisch. Aber müssen wir deswegen unsere Sprache so globalisieren wie das Kapital? Ich hoffe, nicht.

    Antwort
    • 8. März 2023 um 19:06 Uhr
      Permalink

      Da hoffe ich mit dir, Gerda!
      Aber wie beschrieben ist es natürlich Satire und ich denke, weiß es aber nicht, deshalb die Ratlosigkeit, es ist auch eine Kritik an solch eigenartigen Auffassungen von “Sprachreformen” darin enthalten. In der Verlagsbeschreibung heißt es:

      “‘Deutsch für alle'” ist ein Trostbuch für alle Deutschlernenden und deren Angehörige, für Expats, Einwanderer und Menschen in mehrsprachigen Liebesbeziehungen. Und es ist ein herrliches Vademecum für alle Lauchs, die glauben, die deutsche Sprache bereits zu kennen – und Spaß an ihr haben.”

      LG

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert