Rosen sind rot, Veilchen sind blau, was ChatGPT schreibt, interessiert keine S..

War ja klar, dass ich es irgendwann probieren musste. ChatGPT heißt das neue Spielzeug, von dem der eine oder die andere behauptet, es sei eine künstliche Intelligenz, die wissenschaftliche Texte ebenso rasch und stilsicher verfassen könne wie Kunstwerke, Gedichte oder Blogbeiträge.

In den vergangenen Monaten lief eine massive Werbekampagne für das Programm, das derzeit noch kostenlos angeboten wird. Millionen Menschen sollen sich registriert haben, was immer mal wieder dazu führt, dass die Seite den Ansturm nicht mehr bewältigen kann. Gestern bin ich aber durchgekommen und habe der Software vier Aufgaben gestellt. Welche das waren und was dabei herauskam, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Kostenlos, schnell und eloquent? ChatGPT im Test

Trotz seiner Mängel wird ChatGPT derzeit viel Aufmerksamkeit und Anerkennung zuteil. Für Qualität spricht das allerdings noch nicht, denn Unternehmen wie Microsoft investieren Unsummen in die Entwicklung des Programms und natürlich auch in Werbung und Mythenbildung.

So geht bereits jetzt das Gerücht, Universitäten müssten sich darum sorgen, dass Studierende künftig ihre Arbeiten von der KI schreiben lassen. So weit ist die KI aber noch lange nicht. Und sollte sie dies jemals ermöglichen, so zeugt das vielleicht eher von der (mangelhaften) Qualität in Forschung und Lehre und vom fehlenden Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden.

Eines aber muss man der Software lassen: Schnell ist sie tatsächlich. Ein Text mit rund 250 Wörtern ist im Handumdrehen erstellt. Doch was am Ende herauskommt, ist natürlich nicht das Ergebnis eines Schreibprozesses, sondern einer Berechnung. Und das merkt man den unbearbeiteten Texten in jeder Zeile an.

Aufgabe 1: Schreibe einen Blogbeitrag

Meine erste Aufforderung an ChatGPT lautete: Schreibe einen Blogartikel. Thema: Warum die Erde eine Scheibe ist.

Der Blogbeitrag, den ChatGPT dann berechnete, begann mit folgender Einleitung:


„In den letzten Jahren hat sich die Idee, dass die Erde eine Scheibe ist, als eine Alternativtheorie zur Annahme, dass die Erde eine Kugel ist, etabliert. Diese Theorie hat viele Menschen dazu veranlasst, sich zu fragen, ob die Erde tatsächlich eine Scheibe ist.“

Was bei oberflächlichem Lesen „eloquent“ wirken mag, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Aneinanderreihung vager Angaben. Ganz offensichtlich ging dem Artikel keine Auseinandersetzung mit der Materie voraus, stattdessen werden Sätze gebildet, die vermeintliches Wissen abbilden sollen. Auch im Weiteren bleibt der Text inhaltlich und sprachlich im Ungefähren.

Ob ein Leser, der sich in der Thematik auskennt, irgendwelche relevanten Informationen erhält, kann ich allerdings nicht beurteilen, da mich die Frage an sich noch nie interessiert hat. Insgesamt konnte ChatGPT aber nicht viel mehr als vages Gebrabbel und wissenschaftliche Phrasen hervorbringen.

Aufgabe 2: Schreibe eine Kurzgeschichte

Meine zweite Aufgabenstellung lautete sodann:

Schreibe eine Kurzgeschichte über einen Mann. Er war lange krankgeschrieben und man hat ihn auf der Arbeit vergessen.

Auch hier waren die Worte erstaunlich schnell zusammengeklaubt, aber eine Geschichte konnte mir ChatGPT tatsächlich nicht erzählen. Kein Wunder, denn man kann es nicht oft genug betonen: Das Programm schreibt nicht, es berechnet die Wahrscheinlichkeit von Worten und Sätzen. Aber lest selbst den ersten Abschnitt von cheaty Chats Kurzgeschichte (die übrigens wie alle Texte ohne Überschrift ausgegeben wurde):

“Der Mann hieß Paul und er hatte seit langer Zeit ein Problem mit seiner Gesundheit. Er war schon seit Monaten krankgeschrieben und hatte nichts mehr von seiner Arbeit gehört. Sein Chef hatte ihn wohl vergessen. Paul versuchte, Kontakt mit seinem Chef aufzunehmen, aber es war, als ob er nicht vorhanden wäre. Er versuchte, seine Kollegen anzurufen, aber niemand nahm ab.”

Klingt eher so, als hätte sich da jemand erste Notizen für den Inhalt einer neuen Geschichte gemacht, oder? Das Schreiben als künstlerischer Prozess erfolgt allerdings erst im nächsten Schritt, der hier entfällt. ChatGPT eignet sich daher womöglich gut, um Negativbeispiele für einen Kurs mit dem Titel „How not to write“ zu sammeln. Oder Formelsammlungen, denn die Geschichte endete mit den märchenhaften Sätzen:

“Und so machte Paul sich auf den Weg und machte aus seiner Situation das Beste. Er fand eine neue Arbeit, die ihm mehr gegeben hat, als er je erwartet hätte, und er hatte endlich wieder eine Perspektive. Er ist jetzt glücklich und zufrieden und manchmal denkt er noch an jenen Tag zurück, als er plötzlich vergessen worden war.”

Und wenn er (vor Langeweile) nicht gestorben ist, dann arbeitet er noch heute glücklich und zufrieden.

Aufgabe 3: Schreibe ein Liebesgedicht

Und was ist mit Lyrik? Im Netz hatte ich schon des Öfteren gelesen, dass ChatGPT tolle unverwechselbare Gedichte schreiben könne. Also bat ich um eine Kostprobe in Form eines Liebesgedichtes. Interessanterweise lieferte das Programm mir daraufhin einen Text in englischer Sprache. Und der begann so:

“Roses are red, violets are blue

I’m in love with you, and it’s true

No matter what comes our way

I will always love you, every single day

Your beauty and love, your smile and grace

You’re the light I see when I’m far away

Your heart is so pure, you’re so kind

I’m lucky to have you, you blow my mind”

Und so weiter und so fort.

Gedichte, die mit der Zeile „Rosen sind rot“ beginnen, sind natürlich immer für eine Überraschung gut. Aber es ist sicher auch kein Zufall, dass die einleitende Zeile häufig als Vorlage dient, um sich über misslungene Reimversuche lustig zu machen.

Der ausgegebene Text steht dem in Banalität und Sprachmelodie in nichts nach.

Aufgabe 4: Schreibe einen Tweet

Spätestens jetzt war der Zauber des Neuen für mich verflogen. Daher beendete ich meinen Versuch mit einem kurzen letzten Auftrag, der da lautete: Schreibe einen Tweet. Sonst nichts, keine weiteren Vorgaben. Selbst der einfachste Geist hätte zunächst gefragt: Worüber oder wozu? Anders die Software, die mir einen dieser Sinnsprüche produzierte, wie man sie mittlerweile in jedem guten Haushalt an der Küchenwand findet:

“Das Leben ist zu kurz, um nicht zu lachen und zu lieben! #positivevibes”

Und das tat ich dann auch: laut lachen. Und mich wieder dem und jenen zuwenden, was und die ich liebe. Danke für die Erinnerung, ChatGPT! 🙂

Fazit: Lässt sich Ausbeutung durch Diebstahl beenden?

Der Vollständigkeit halber (und ich hätte fast „Fairness“ geschrieben, aber an einer sogenannten KI ist nichts fair, sondern alles Diebstahl) sei erwähnt, dass ich natürlich nur Zugriff auf den kostenfreien „Playground“ der Software hatte. Möglich, dass sich mit anderen Mitteln und tieferem Einstieg in die Materie mehr herausholen lässt. Fakt ist aber auch, dass nicht wir von der KI lernen, sondern die KI davon, dass Menschen ausgebeutet werden. Und zwar letztendlich von jenen, die sich mithilfe der KI ihrer Talente bedienen, um selbst daran zu verdienen.

Menschliches Wissen, Können und menschliche Kreativität werden hier zudem auf einen schnellen Akt der Eingabe und Ausgabe von Daten und Parametern begrenzt. Die Software wird zur Redundanzmaschine, die steuert, was wir morgen glauben und für wahr befinden werden, weil wir es dem Programm heute antrainiert haben. Die sogenannte KI leitet damit nicht allein das Ende der Aufklärung und den Verlust menschlicher Geschichte und Geschichten ein, sie öffnet auch die Türen zu einem neuen mythischen Zeitalter, in dem nichts mehr zueinander im Verhältnis steht, weil alles nur Gegenstand einer Berechnung ist. Auf dass Rosen und Veilchen der Scheiben-Erde neuen Glanz verleihen!

Oder? Habt ihr die Software bereits ausprobiert? Würdet ihr? Ich freue mich über Feedback und eure Kommentare!

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