Verschwörer sind immer die anderen

Über den Sinn mythischer Sprechweisen und den Unsinn, sie faktisch widerlegen zu wollen

Alle reden über Verschwörungsmythen, aber natürlich sind es immer die anderen, die sie verbreiten. Doch was ist eigentlich ein Mythos? Schon in den 1950er Jahren befasste sich mit dieser Frage der französische Literaturwissenschaftler Roland Barthes und kam zu dem banal anmutenden Ergebnis, dass der Mythos eine Aussage sei. Eine Aussage allerdings, die sich stets in der Schwebe befindet, die sich weder am sprachlichen (oder bildlichen) Zeichen festmachen lässt, noch im Inhalt aufgeht oder in dem, worauf sie deutet.

Was haben uns Barthes Texte für die heutige Mythenbildung noch zu sagen? Und warum betreffen seine Thesen nicht etwa nur die “Ungebildeten” oder “Verschwörungserzähler”, sondern auch die professionellen Vermittler von Wirklichkeit und Wissenschaft?

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Sein blaues Wunder erleben – oder doch eher hören?

Über den Sinneswandel einer Redensart

Wer sein blaues Wunder erlebt, darf sich sicher auf eine Überraschung gefasst machen. Aber woher stammt die Redensart eigentlich? Warum ist das Blaue unangenehm oder trügerisch? Hat dies wirklich etwas mit dem Handwerk der Tuchmacher zu tun, wie schon oft angenommen wurde? Oder hat das Blau vielleicht noch eine andere, uns heute verborgene Bedeutung?

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6 Tipps zum Texten, die ich nicht mehr hören kann

So lernen Sie besser schreiben. Oder: 10 Tipps, die Ihre Texte verbessern. Oder irgendwas mit einer Zahl, Tipps und besser, einfacher, werbewirksamer. Es kommt der Moment, da verstehst du: Du musst diesem Link im Newsletter nicht folgen. Du weißt eh, was drinsteht. Wolf Schneiders Lebenswerk als Zehnpunkteprogramm. Der kleine Katechismus des Schreibens, der dazu führt, dass alles irgendwie gleich klingt. Verständlich. Kurz. Kein Passiv, kein man. Bildchen rein, Grafiken rein, Füllwörter raus.

Alles richtig, aber … Schreiben ist doch kein Textetöpfern nach Anweisung. Schreiben ist auch nicht die Kunst, Wortketten von gleichförmiger Länge zu basteln. Im Schreiben bilden wir Klänge ab. Die bestenfalls auch noch was bedeuten. Texte, wie ich sie schätze, haben eine Stimme, einen Tonfall. Der – noch einmal bestenfalls – perfekt zu den Inhalten passt. Den der Leser – der aufmerksame Leser – innerlich hört. Und verändert, indem er ihm seine Stimme, seine Lesart beifügt.

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Wer Gedichte interpretieren kann, schafft auch die Steuererklärung

Wenn es um unser hoffnungslos veraltetes Schulsystem geht, fällt garantiert der eine Satz: Warum lernen Schüler heute nicht, wie man eine Steuererklärung macht, statt Gedichte interpretieren zu müssen? Was lernt man von einer Gedichtinterpretation?

Die Antwort ist denkbar einfach: Alles. Denn wer gelernt hat, Gedichte zu interpretieren, der schafft auch die Steuererklärung, wird ein erfolgreicher Suchmaschinenoptimierer, lernt mit links Sprachen oder tüftelt sich ins Programmieren ein. Und er fällt nicht auf Fake News oder populistisches Geschwafel rein, egal von welcher politischen Couleur es geäußert wird.

Die Betonung liegt allerdings auf: Wer gelernt hat, Gedichte zu interpretieren.

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„Jetzt hat man seine Zukunft gesichert. Ich werde Negerprinzessin.“

Zum Bemühen um sprachliche Korrektheit in Kinderbüchern und speziell in Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“

Nein, ich will das Unwort „Neger“ nicht verteidigen. Aber in der Debatte um Pippi Langstrumpf und ihre literarischen Gefährten vermisse ich den Bezug zu dem, was Literatur auszeichnet. Astrid Lindgren schrieb weder Geschichten aus Kolonialherrensicht noch beugte sie sich gönnerhaft zu den jungen Lesern herab, um ihnen die Welt und deren korrekte Begrifflichkeit zu erläutern.

Astrid Lindgren hat Weltliteratur geschaffen. Weltliteratur für Kinder. Das ist etwas anderes, als pädagogisch wertvoll zu texten. Da werden keine Inhalte transportiert. Da darf gelogen werden, dass sich die Balken biegen. Mit dem Ziel zu unterhalten. Und mit dem Ziel, zu entlarven. Denn eine Welt, in der weiße und schwarze Kinder sich ihrer unterschiedlichen Hautfarben bewusst sind, in der sich Nord- und Südseebewohner als „ganz anders“ erkennen und neugierig aufeinander zugehen dürfen, ist leider immer noch eine erlogene Welt.

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Kein Bild sagt mehr als tausend Worte

Ein Bekannter postet ein Video auf Facebook. Ich sehe: Während eines Fußballspiels rollt der Ball ins Aus. Der Balljunge schnappt sich den Ball, hält ihn fest, ein Spieler will den Ball zurück. Der Balljunge rückt ihn nicht raus, wirft sich zu Boden, umklammert den Ball. Ich traue meinen Augen nicht. Ist das ein Balljunge oder ein verrückter Fan, der seine Trophäe für sich behalten will? Dann kommt es noch schlimmer: Der Spieler tritt dem am Boden liegenden Jungen in die Magengegend, der lässt den begehrten Ball daraufhin los und der Spieler trottet zurück aufs Spielfeld.

Arschloch!

Sorry, aber ja, das war meine erste Reaktion. Das hätte es dann auch sein können. Doch irgendwie scheint mir die ganze Situation so absurd. Warum umklammerte der Junge den Ball? Was war da eigentlich los?

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